Arbeit und Soziales

Ein Mensch kann nur in Würde leben, wenn er ein Recht auf Versorgung seiner Grundbedürfnisse und gesellschaftliche Teilhabe hat. Wir, die PIRATEN Niedersachsen, fordern deshalb eine an den Bedürfnissen der Menschen orientierte Arbeits- und Sozialpolitik.

Arbeitspolitische Zielsetzungen

Die Piratenpartei Niedersachsen setzt sich für das Recht auf zwei persönliche Feiertage für jeden volljährigen Menschen in Niedersachsen außerhalb von schulischer Ausbildung ein. Die jeweiligen Tage werden genau wie Urlaub angekündigt, deren Nutzung kann nur unter den gleichen Bedingungen wie Urlaub verweigert oder aufgehoben werden. Ebenso gelten die gleichen Bedingungen in der Lohnfortzahlung. Denn Niedersachsen hat mit zehn landesweiten Feiertagen zusammen mit Berlin, Bremen, Hamburg und Schleswig-Holstein bundesweit die geringste Zahl an landesweiten Feiertagen, die mit zwölf Tagen in Baden-Württemberg, Bayern, Brandenburg und dem Saarland am höchsten ist. Diese Differenz ergibt sich aus regionalen religiösen Feiertagen, deren Kriterien in Niedersachsen nicht in ihrer Gesamtheit zutreffen. Im Sinne einer freien Religionsausübung ist es jedoch notwendig, zumindest die Möglichkeit dazu zu geben. Natürlich soll niemand gezwungen werden, diese Tage und die dann auch noch zur Religionsausübung zu nehmen. Aus Gründen der Gleichbehandlung ist es jedoch anzustreben, dass man diese Tage auch mit anderen Inhalten füllen kann.

Aktuell ist eine Teilhabe in unserer auf Geldwirtschaft ausgerichteten Gesellschaft nur mit einem Einkommen möglich. Dieses kann nur durch Erwerbsarbeit erzielt werden, weshalb Vollbeschäftigung herrschen müsste. Das war bisher das Ziel der Wirtschaftspolitik und sollte durch wirtschaftsfördernde Maßnahmen sowie durch staatlich finanzierte Arbeitsplätze erreicht werden. Wenn jedoch öffentliche Mittel eingesetzt werden, muss dies möglichst zielführend geschehen. Darum setzen wir uns für ein garantiertes Einkommen ein. Genauso wie die öffentliche Sicherheit, die Verkehrswege und weite Teile des Bildungssystems soll auch die Existenzsicherung ohne direkte Gegenleistung zur Verfügung gestellt werden. Daher stehen wir für Lösungen, die eine finanziell sichere Existenz und gesellschaftliche Teilhabe individuell und bedingungslos garantieren und dabei auch wirtschaftliche Freiheit erhalten und ermöglichen. Wir wollen die Armut verhindern, nicht den Reichtum.

Testgebiete für Bedingungsloses Grundeinkommen

Wir sind der Überzeugung, dass die überwältigende Mehrheit der Menschen eine sichere Existenz als Grundlage für die Entfaltung ihrer wirtschaftlichen und sozialen Entwicklungsmöglichkeiten nutzen wird. Eine sichere Existenz schafft Freiräume für selbstbestimmte Bildung und Forschung sowie wirtschaftliche Innovation. Sie erleichtert und ermöglicht ehrenamtliches Engagement, die Pflege von Angehörigen, die Fürsorge für Kinder, unabhängigen Journalismus, politische Aktivität und die Schaffung von Kunst und freier Software. Davon profitiert die gesamte Gesellschaft.

Hierfür streben wir Modellversuche an, die eine breite wissenschaftlich fundierte Basis für die Einschätzung der Auswirkungen eines Bedingungslosen Grundeinkommens (BGE) bieten. Dazu sind zwei Regionen festzulegen, die in Sachen struktureller Arbeitslosigkeit, Armutsrisiko, Verschuldungsquote der öffentlichen Hand und weiterer im Beratungsprozess zu definierender Kriterien diametral verschieden sein, um eine Auswertung der Zahlungswirkung anhand der Extreme vornehmen zu können. Eine weitere Kontrollregion, die dem statistischen Durchschnitt entspricht, ist denkbar. In jedem der Gebiete sind wenigstens 1000 Personen zur Teilnahme aufgerufen.

Die Teilnahme am Modellversuch ist für jeden Einwohner freiwillig. Das BGE ist ein steuerfreies Einkommen und an jeden Einwohner zusätzlich zum Einkommen auszuzahlen. Sozialleistungen wie Kindergeld, Wohngeld, Grundsicherung im Alter und ALGII entfallen, jeder Teilnehmer erklärt sich dazu bereit. Um Ausfallzeiten bei der Rente zu vermeiden, sind entsprechende Anwartschaften aus dem BGE zu bedienen, ebenso die Beiträge zur Krankenversicherung.

Das Projekt soll auf wenigstens fünf Jahre angelegt sein, die auszuzahlenden Beträge sollen sich an der jeweils aktuellen Pfändungsfreigrenze orientieren.

Sie steht jedem zu, der zu einem festzulegenden Stichtag mindestens seit sechs Monaten in den Anspruchsgebieten mit Erstwohnsitz gemeldet war bzw. in dieser Zeit dort geborenen wurde, und solange, wie im Anspruchsgebiet der einzige gemeldete Erstwohnsitz besteht. Zuziehende Menschen haben weiterhin Anspruch auf die allgemeinen Leistungen nach den Sozialgesetzen, wegziehende Menschen haben diesen Anspruch erneut.

Uns ist klar, dass diese Ausgestaltung Bedingungen definiert. Für die Durchführung eines wissenschaftlichen Modellversuchs sind diese jedoch notwendig. Der Versuch endet vorzeitig bei der Einführung eines bundesweiten BGE

Beratungsstellen für ausländische Arbeitnehmer

Da alle Menschen unabhängig von ihrer Herkunft gleich sind, gilt dies auch für den Arbeitsmarkt. Jeder Arbeitnehmer soll einen vergleichbaren Lohn für vergleichbare Arbeit bekommen. Dieser soll sich ausschließlich an seiner Qualifikation orientieren und unabhängig von der Herkunft des Arbeitnehmers sein. Das Recht auf persönliche Lohnverhandlungen ist davon natürlich nicht betroffen.

Seit Inkrafttreten des Arbeitnehmerendsendegesetzes kommt es zu einem verstärkten Zustrom insbesondere osteuropäischer Arbeitnehmer. Diese kennen ihre Rechte oftmals nicht. Deshalb fordern wir die Einrichtung von Beratungsstellen für ausländische Arbeitnehmer. Die Piratenpartei Niedersachsen fordert die (Wieder-)Einführung von in der Vergangenheit existenten und weiteren Beratungsstellen für ausländische Arbeitnehmer unabhängig von der Branche. Da alle Menschen unabhängig von ihrer Herkunft gleich sind, gilt dies auch für den Arbeitsmarkt.

Bei der Verbesserung der Arbeitssituation muss der öffentliche Dienst mit gutem Beispiel vorangehen.

Abschaffung der Zeitverträge im öffentlichen Dienst

Daher ist es unser Ziel in Niedersachsen, Zeitverträge im öffentlichen Dienst abzuschaffen bzw. vorhandene in unbefristete Arbeitsverträge umzuwandeln.

In der Agentur für Arbeit sowie in den Bereichen Gesundheitsversorgung und Soziales der öffentlichen Hand werden Mitarbeiter mit Zeitverträgen eingesetzt. Die in der freien Wirtschaft gängige Argumentation, Zeitverträge seien eine Voraussetzung, um flexibel auf die Wirtschaftslage reagieren zu können, kann für Kommunen, Land und Staat nicht gelten. Dem Staat sollte es möglich sein, eine mittel- bis langfristige Personalplanung zu realisieren, die den neu eingestellten Mitarbeitern eine Perspektive ohne Zeitverträge bietet und sie nicht erpressbar macht.

Berufliche Chancen Alleinerziehender erhöhen

Noch immer tragen Alleinerziehende ein überdurchschnittliches Armutsrisiko. Die Piratenpartei Niedersachsen setzt sich für dafür ein, dass bei der Besetzung von Stellen in landeseigenen öffentlichen Verwaltungen und Betrieben in Niedersachsen allein erziehende Elternteile mit Kindern im Alter innerhalb der Schulpflicht bei gleicher Qualifikation bevorzugt eingestellt werden. Der Wunsch nach Teilzeitbeschäftigung ist besonders zu berücksichtigen. Weitere organisatorische Ansätze zur Vereinbarkeit von Kind und Beruf sind zu fördern.

Stärkung der Rechte Sexarbeitender

Die Piratenpartei Niedersachsen setzt sich für die Stärkung der Rechte Sexarbeitender ein. Die Entscheidung zur freiwilligen Ausübung der Sexarbeit fällt

• unter das Recht auf freie Berufswahl sowie

• unter das Recht auf sexuelle Selbstbestimmung.

Die Entscheidung zur Ausübung der Sexarbeit ist daher von Staat und Gesellschaft zu akzeptieren. Eine Diskriminierung und Kriminalisierung von Sexarbeitenden und ihren Kunden lehnen wir ab.

Selbstbestimmt tätige Sexarbeitende sind keine Opfer. Vielmehr üben sie ihren Beruf eigenverantwortlich auf der Grundlage einer freien Entscheidung aus. Ihre Tätigkeit bedarf besonderer Fähigkeiten und Kenntnisse und verdient gesellschaftliche Anerkennung. Deshalb werden wir alle Sonderregelungen zur Reglementierung von Sexarbeit dahingehend prüfen, ob sie geeignet, erforderlich und angemessen sind, die Anerkennung und die Rechte von Sexarbeitenden sicherzustellen.

Die Stärkung der Rechte selbstbestimmt tätiger Sexarbeitender ist das beste Mittel gegen jedwede Fremdbestimmung. Sie dient der rechtlichen Gleichbehandlung, sowie der freien und ungehinderten Berufsausübung.

Gesellschaftliche Forderungen

Neben der arbeitspolitischen Perspektive setzen wir uns ebenfalls für eine Sozialpolitik ein, die sich der gesellschaftlichen Probleme bewusst ist und diesen entgegenwirkt.

Ein Grundrecht auf Wohnung

Wir unterstützen Bemühungen, das Recht auf angemessenen Wohnraum als Grundrecht in der niedersächsischen Landesverfassung und im Grundgesetz zu verankern.

Wir sehen den Staat in der Pflicht, geeignete Rahmenbedingungen zu schaffen, um jedem Bürger einen ausreichenden und bezahlbaren Wohnraum zur Verfügung zu stellen. Wir setzen uns deshalb dafür ein, dass das Land Niedersachsen erneut eine Landeswohnungsbaugesellschaft gründet. Sie soll gemeinnützig agieren und mit nicht abgerufenen Wohnungsbaufördermitteln preisgünstigen, nicht gewinnorientierten Wohnraum schaffen. Mit wenigstens 100 Mio. Euro pro Jahr ist sie auch ohne diesen Rückgriff auszustatten.

Sorge zu tragen ist für eine akzeptable gesellschaftliche Durchmischung der Bewohnerschaft. Als diese sehen wir einen Anteil von einem Drittel an neu erstelltem Wohnraum an, der pro Projekt in Zahl und Fläche ab drei Wohneinheiten gefördert zur Verfügung stehen muss.

Die Verdrängung von Mietern durch Spekulanten sehen wir als Verstoß gegen die im Grundgesetz festgelegte Allgemeinwohlverpflichtung von Eigentum an.

Zusätzlich unterstützen wir aber auch die wichtige Rolle der Privatinvestoren bei der Schaffung von Wohnräumen.

Bezahlbaren Wohnraum erhalten

Wohnraum ist insbesondere im großstädtischen Bereich nach wie vor knapp, eine nachhaltige Entspannung ist nicht zu erwarten. Im Gegenteil, große Städte wachsen immer schneller. Eher ist eine Ausweitung der Bebauungsflächen realistisch einschließlich der damit einhergehenden Bodenversiegelung. Demgegenüber gibt es vielfach Wohnraum im innerstädtischen Bereich, der aus verschiedenen auf Gewinnerzielung ausgerichteten Gründen leer stehen bleibt. Daher setzen wir uns für die Einführung eines Wohnraumschutzgesetzes am Beispiel Hamburg ein. Damit soll sichergestellt werden, dass theoretisch verfügbarer Wohnraum zu angemessenen Preisen auch praktisch verfügbar ist.

Hilfen für wirtschaftlich Benachteiligte

Energiesparen ist sowohl für die Energiewende als auch für die Haushaltskasse notwendig. Haushalte mit geringen Einkommen haben aber kaum die finanziellen Möglichkeiten, energiefressende Geräte durch neue energieeffiziente Geräte zu ersetzen. Die Piratenpartei Niedersachsen setzt sich für die Ausstattung von wirtschaftlich benachteiligten Haushalten mit energieeffizienten Geräten (insbesondere Kühl- und Gefrierschränke) ein.

Es gibt in Niedersachsen nur in wenigen Gebieten ein Sozialticket. Jeder Mensch hat aber das Recht sich frei zu bewegen. Die Kosten für den ÖPNV sind aber so hoch, dass wirtschaftlich benachteiligte Menschen einen nur sehr begrenzten Bewegungsradius haben. Daher treten wir für ein landesweites Sozialticket ein. Die Kostenobergrenze ist der im ALG II Regelbedarf enthalte Anteil für Verkehr.

Selbsthilfe stärken

Selbsthilfegruppen spielen eine tragende Rolle in unserer heutigen Gesellschaft. Sie sind ein Ort an dem sich Menschen mit ähnlichen Problemen, Lebenssituationen oder Anliegen begegnen und austauschen können. Typische Themenfelder von Selbsthilfegruppen sind chronische oder seltene Krankheiten, die Bewältigung von Lebenskrisen oder belastende soziale Situationen.

Um die fortwährende Arbeit und die fortschreitende gesellschaftliche Etablierung von Selbsthilfegruppen auch in Zukunft zu gewährleisten, setzen wir uns für eine institutionelle Förderung dieser durch das Land ein.

Im Falle von chronischen Krankheiten sind Selbsthilfegruppen bereits als ein unverzichtbarer Bestandteil der Gesundheitsversorgung anerkannt und erhalten finanzielle Unterstützung durch die gesetzlichen Krankenkassen. Wir sind jedoch davon überzeugt, dass auch Selbsthilfegruppen welche sich mit sozialen Belangen beschäftigen – wie zum Beispiel Arbeitslosigkeit oder Migration – durch ihr Wirken staatliche Stellen personell wie finanziell entlasten, auch indem sie dazu beitragen das seelische Wohlbefinden ihrer Mitglieder zu erhalten und somit Folgeerkrankungen wie Depressionen verhindern. Vor allem aber bieten Selbsthilfegruppen durch ihre Zusammensetzung aus selbst Betroffenen die Möglichkeit, Unterstützung in der eigenen Lebenssituation zu erfahren, ohne sich der Stigmatisierung, die von öffentlichen Stellen häufig ausgeht, ausgesetzt zu fühlen. Dennoch sind sie bisher darauf angewiesen sich über ihre Mitglieder und durch Spenden zu refinanzieren. Dies ist gerade im sozialen Bereich ein Problem.

Schutzeinrichtungen vor Beziehungsgewalt erweitern

Die Piratenpartei Niedersachsen setzt sich für die Gleichbehandlung der Geschlechter ein. Dazu gehört auch, unabhängig vom Geschlecht von Gewalt bedrohten Menschen in Not Zuflucht zu gewähren. Wir wollen daher die bislang zwei Einrichtungen für Männer finanziell aus der Landeskasse unterstützt sehen und setzen uns für eine Ausweitung des Angebots an derartigen Hilfseinrichtungen ein. Dies darf nicht zu Lasten der Unterstützung für Frauenhäuser gehen. Ihr Angebot ist wenigstens unter gleichen Bedingungen beizubehalten und wenn notwendig auszuweiten. Um allen Menschen Zugang zu ermöglichen, müssen sie barrierefrei gestaltet sein.

Um auch Menschen, die sich einem anderen Geschlecht als männlich oder weiblich zuordnen, diesen Schutz zu bieten, sind Öffnungsmöglichkeiten der reinen auf Männer und Frauen ausgelegten Einrichtungen zu erkunden.

Schaffung eines Landes-Antidiskriminierungsgesetzes

Leider muss man immer wieder feststellen, dass auch in Niedersachsen Menschen von öffentlichen Stellen ungleich behandelt werden, sei es im ÖPNV, im ÖPV, beim Jobcenter, bei Bürgerämtern, bei Ausländerbehörden etc.. Auch typisches “Racial Profiling” z.B. in Verkehrsmitteln oder an öffentlichen Plätzen durch Ordnungskräfte ist festzustellen. Daher setzen wir uns dafür ein, dem Beispiels Berlins zu folgen und ebenfalls ein Landes-Antidiskriminierungsgesetz einzuführen, das damit insbesondere die Anforderungen im AGG (Allgemeinen Gleichstellungsgesetz) auf den öffentlichen Sektor überträgt.

Jugendförderung

So lehnen wir den stetigen Rückzug des Landes aus der Finanzierung der Jugendarbeit ab und setzen uns statt dessen für einen Ausbau der Mittel der Niedersächsischen Landesjugendarbeit ein. Dabei sollen wenigstens Rückgänge der Vergangenheit und die Inflationsrate ausgeglichen werden. Die Förderung der Kinder- und Jugenderholung soll wieder aufgenommen, die Zuschüsse für die bauliche Unterhaltung von Bildungsstätten wieder wenigstens auf das Maß von 2004 erhöht werden. Denn Jugendarbeit ist ein wichtiges Element der Gesellschaft und sorgt für geringere Ausgaben in der Zukunft. Alle Vereine, die Jugendarbeit leisten, sowie alle Jugendhäuser sind zu erhalten und zu unterstützen. Jugendhäuser sind wichtige gesellschaftliche Begegnungsstätten. Wie die Sport- und Musikvereine fördern sie den kulturellen Austausch, vermindern sprachliche und kulturelle Barrieren und erleichtern unser aller Zusammenleben. Zur Förderung der Bildung von Kindern und Jugendlichen setzen wir uns darüber hinaus für den Erhalt und Ausbau kostenfreier Büchereien ein.

Kinder- und Jugendrechte im Parlament erweitern

Wir setzen uns für die Schaffung einer unabhängigen Landesbeauftragung für Kinder- und Jugendrechte ein. Dazu gehört das eigenständige Vorschlagen von Initiativen in den Fraktionen, die den Interessen von Kindern gesetzgebenden Charakter verleihen sollen genau so, wie die Überprüfung der Auswirkung von Gesetzen auf Kinder und Jugendliche, sofern dies nicht im vorherigen Beteiligungsverfahren geschehen ist. Dies wäre eine Ergänzung zur Kinderkommission und zeigt den Stellenwert der Gesetzesnorm. Denn Kinderrechte sind Bestandteil der Landesverfassung.

Weiterhin soll die Kinder- und Jugendkommission des Landtages Niedersachsen zu mindestens 50% mit Personen unter 18 Jahren besetzt sein. Denn solange nur Erwachsene deren Interessen vertreten, sind sie nicht vertreten.

Gewalt als gesamtgesellschaftliches Problem

Gewalt betrachten wir als ein gesamtgesellschaftliches Problem, das nicht durch reflexartige, einfache Schuldzuweisungen unter den Teppich gekehrt werden darf. Darum lehnen wir es ab, Menschen zu stigmatisieren, die ihre Freizeit mit Computerspielen, Paintball oder vergleichbaren Aktivitäten verbringen.

Stattdessen wollen wir den verantwortungsbewussten Umgang mit solchen spielerischen Freizeitaktivitäten fördern und Maßnahmen zur Konfliktlösung und Gewaltprävention ausbauen. Die schulpsychologische Beratung soll dahingehend erweitert werde, pädagogisch-psychologische Fachkräfte flächendeckend in Schulen, Beratungsstellen und Jugendzentren sowie in der Erwachsenenbildung einzusetzen.

Mobbing als gesamtgesellschaftliches Problem betrachten

Um Mobbing im Rahmen des Schulbesuchs zu begegnen setzen wir uns für die Umsetzung folgender Maßnahmen ein:

  1. Bezogen auf Schulen soll die verbindliche und qualitative Ausbildung aller Lehrenden und sozialarbeiterisch Tätigen in der Mobbingprävention und -intervention bereits während des Studiums erfolgen.
  2. Verbindliche Fortbildungen aller bereits im Dienst befindlichen Lehrenden und sozialarbeiterisch Tätigen in der Mobbingprävention und -intervention.
  3. An jeder Schule in Niedersachsen muss ein/e Sozialarbeiter/in mit einer festbesetzten Vollzeitstelle eingestellt und eingesetzt werden, finanziert durch das Land Niedersachsen.
  4. Regelmäßige Präventions- und Aufklärungsarbeit an den Schulen, durch Seminare von Experten in der Anti-Mobbing-, Anti-Gewalt-, Drogen- und Kriminalprävention.
  5. Die Unterstützung der Schulen bei der Bildung von Mobbing-Interventionsteams.
  6. Eine Meldepflicht für Mobbing- und Gewalt-Fälle an Schulen in ganz Niedersachsen durch die Schulleitungen.
  7. Unabhängig und neutral konzipierte Untersuchungsmöglichkeiten seitens der Schulbehörden.
  8. Klare Anweisungen auf Ministerialebene an die Schulen, Fälle von Mobbing und Gewalt offensiv zu behandeln und auf keinen Fall zu verharmlosen oder sogar zu vertuschen.

Uns ist bewusst, dass hierbei Mobbing via Webseiten, sozialer Medien und Massengerdiensten eine besondere Herausforderung sind. Sofern dies in den vorangegangenen Maßnahmen nicht ausreichend berücksichtigt werden kann und insbesondere außerhalb des schulischen Umfelds, setzen wir uns auch speziell gegen diese Form des Mobbings ein. Durch enge Zusammenarbeit mit zuständigen Stellen und aktive Mitarbeit an Aufklärungsprojekten tragen wir unseren Teil zur Prävention von Internetmobbing bei. Mobbing darf nicht zum Hindernis für den wünschenswerten Umgang mit dem Internet werden. Des weiteren unterstützen wir jegliche evidenzbasierten Bemühungen, auch Mobbing außerhalb des Netzes zu bekämpfen.

Kostenfreie Bestätigung unabänderlicher Ereignisse

Die Ausstellung jeweils einer Geburts- und Sterbeurkunde soll kostenlos sein. Denn Geburt und Tod sind das Einzige, was wirklich unabänderliche Ereignisse im Leben sind. Abgesehen davon, der Staat will mehr Geburten. Warum er dann die Eltern für die Bestätigung einer solchen bezahlen lässt, ist nicht nachvollziehbar.

Wickelstationen in Toiletten in öffentlichen Gebäuden

Sind die Kinder dann da, müssen sie auch versorgt sein. Daher setzen wir uns für Wickelstationen in Toiletten öffentlicher Gebäude ein, die von allen Geschlechtern genutzt werden können. Dies kann mittels Einrichtung auf Uni-Sex-Toiletten oder in solchen für Männer erfolgen wenn parallel dazu Möglichkeiten für Frauen zur Verfügung stehen. Eine jederzeitige Nutzung ist sicherzustellen. Ersatzweise ist die Einrichtung derartiger Möglichkeiten in einer öffentlichen Toilette pro 20.000 Einwohner einzurichten. Bei Neubauten öffentlicher Gebäude soll ein eigener Wickelraum verbindlich eingeplant werden, der geschlechterunabhängig genutzt werden kann.

Kostenfreie Menstruationsartikel verpflichtend auf öffentlichen Toiletten

Die Piratenpartei Niedersachsen setzt sich für die Bereitstellung von kostenlosen Menstruationsartikeln wie Binden oder Tampons auf öffentlichen Toiletten ein. Diese sollen verpflichtend allen Personen, die diese benötigen, zu Verfügung gestellt werden. Der Zugang zu diesen soll nicht nur in Damentoiletten möglich sein, weil manche Personen, die diese benötigen, keinen Zugang zu Damentoiletten haben.

Inklusionspolitik

Mittendrin statt nur dabei – ungehindert behindert

Inklusion: Von Inklusion wird gesprochen, wenn jeder Mensch als Individuum von der Gesellschaft akzeptiert wird und die Möglichkeit hat, vollständig am gesellschaftlichen Leben teilzunehmen.

Ebenfalls ein wichtiges Ziel unserer Sozialpolitik ist die konsequente Umsetzung des Inklusionsgedanken der UN-Behindertenrechtskonvention. Dabei stellt die UN-Konvention für Menschen mit Behinderungen den rechtlichen Rahmen für eine Gesellschaft dar, an der jeder nach seinen Möglichkeiten gleichberechtigt teilnehmen kann. Dies bedeutet aus unserer Sicht eine Herausforderung für alle staatlichen Institutionen und für die Zivilgesellschaft und erfordert politisches Handeln und landesweite Strategien.

Ein wichtiger Aspekt ist es, die Teilhabe der Menschen mit Behinderungen zu verbessern. Deshalb setzen wir uns dafür ein, dass die gesetzlichen Richtlinien angepasst werden und insbesondere in Ämtern und Behörden sowie in Bildungseinrichtungen die Barrierefreiheit massiv ausgebaut wird. Deren Umsetzung im ÖPNV muss schneller als bislang geschehen. Um dies zu unterstützen, muss barrierefreies Bauen ein fester Bestandteil der Architektenausbildung werden.

Im Bereich der schulischen Inklusion sind die Klassengrößen unbedingt zu verkleinern und die sachliche und personelle Ausstattung an den individuellen Erfordernissen auszurichten, sowie kurzfristig und unbürokratisch bereitzustellen.

Auch die Eingliederung ins Berufsleben ist ein Schritt in Richtung Inklusion. Aus diesem Grund kritisieren wir, dass Unternehmen sich aus der Pflicht, Menschen mit Behinderungen eine Anstellung zu ermöglichen, “freikaufen” können. Der Druck auf niedersächsische Unternehmer, mehr Menschen mit Behinderungen zu beschäftigen und Arbeitsplätze entsprechend zu gestalten, muss wachsen. Dabei darf kein weiterer Niedriglohnsektor entstehen. Menschen mit Behinderungen sollen in regulärer, tariflich gebundener Erwerbsarbeit ihren Platz finden.

Um Teilhabe in der Öffentlichkeit zu erleichtern, setzen wir uns für mindestens eine barrierefrei erreichbare so genannte “Toilette für Alle” für Menschen mit komplexen Behinderungen in jedem öffentlichen Gebäude mit Publikumsverkehr ein, die stets verfügbar ist. Ersatzweise ist eine derartige öffentliche Toilette pro 50.000 Einwohner einzurichten. Bei der Einrichtung sind die Kommunen bei Bedarf finanziell zu unterstützen.

Behindertenbeiräte: Betroffenenselbstorganisationen, die aktuell auf kommunaler Ebene bestehen.

Um Betroffenen mehr Mitsprachemöglichkeiten zu geben, setzen wir uns dafür ein, dass Behindertenbeiräte ein Vetorecht erhalten und von den Betroffenen demokratisch gewählt statt wie bisher eingesetzt werden. Zusätzlich sollen die Beteiligungsmöglichkeiten von Menschen mit Behinderungen auf kommunaler und Landesebene ausgebaut werden, indem weitere Selbsthilfegruppen und Verbände gefördert werden.

Insgesamt muss Inklusion in Niedersachsen selbstverständlich werden, weshalb wir uns für landesweite Foren einsetzen. Dort sollen alle Beteiligten der Inklusion vertreten sein, um einen gesellschaftlichen Veränderungsprozess in Gang zu bringen.

Förderprogramme des Landes sollen verpflichtende Vorgaben zur Barrierefreiheit, auch im digitalen Raum, enthalten. Ein spezielles Förderprogramm soll gezielt barrierefreie Innovationen im Digitalbereich und im Zusammenhang künstlicher Intelligenz adressieren.

So sollen Genehmigungen, die über die Landesnahverkehrsgesellschaft vergeben werden, neben den schon existenten Vorgaben für mobilitätseingeschränkte Menschen auch sicherstellen, dass digitale Angebote bei der Nutzung aller Verkehrsmittel barrierefrei genutzt werden können – von der Bestellung über die Buchung und Bezahlung bis zu Fahrgastinformationen.

Ebenso sind Vergaberichtlinien dahingehend zu überarbeiten, dass überall dort, wo Barrierefreiheit eine Rolle spielt, diese zwingend zu berücksichtigen ist. Auch dies sowohl real wie in digitalem Bereich.

Barrierefreiheit in Sport, Freizeit, Kultur und Tourismus sicherstellen

In Sport, Freizeit, Kultur und Tourismus sind Barrierefreiheit und Inklusion für eine uneingeschränkte Teilhabe am gesellschaftlichen Leben von zentraler Bedeutung. Barrierefreiheit ist das grundlegende Gestaltungsprinzip zur Gewährleistung der gleichberechtigten und wirksamen Teilhabe Aller.

Durch Barrierefreiheit der physischen, bebauten Umwelt, von Gütern und Dienstleistungen, von Informationen und der Kommunikation ist Menschen mit Behinderungen der Zugang in gleicher Weise möglich wie Menschen ohne Behinderungen. Barrierefreiheit ist stets auch eine Frage der Qualität. Dafür müssen sich viele Akteur*innen einsetzen und Entscheidungsgremien aus Politik, Wirtschaft und Gesellschaft müssen sich dazu klar bekennen. Inklusiv ausgerichtete, barrierefreie Angebote auf den Gebieten Sport, Freizeit, Kultur und Tourismus erfordern finanzielle Ressourcen für Neu-, Um- und Ausbauten, verstärkte bewusstseinsbildende Öffentlichkeitsarbeit, Personalmittel und gezielte Formate der Partizipation.

Infolgedessen unterstützen wir die landespolitisch umsetzbaren Forderungen des 63. Treffen der Behindertenbeauftragten von Bund und Ländern, die “Magdeburger Erklärung”. Im einzelnen umfasst dies folgende Punkte, für die wir uns zur Schaffung der rechtlichen, organisatorischen und finanziellen Grundlagen einsetzen:

Menschen mit Behinderungen nehmen gleichberechtigt an Aktivitäten des Sports teil

Menschen mit Behinderungen haben das Recht auf sportliche Betätigung. Dieses Recht verpflichtet, die Teilhabe von Menschen mit Behinderungen in Vereinen und weiteren sportlichen Angebotsstrukturen zu fördern. Inklusiver Sport verlangt, dass Sportvereine sich sowohl stärker den Bedarfen von Menschen mit Behinderungen zuwenden, als auch das Interesse am Sport wecken. Strukturen der Unterstützung, Assistenz und Beratung müssen auf- und ausgebaut werden, um die nachhaltige Nutzung sportlicher Angebote zu ermöglichen.

Die UN-BRK zielt auf den barrierefreien Zugang zu Sport- und Spielstätten ab. Kommunen und Träger von Einrichtungen müssen ihre Sportstätten im Bestand sowie bei Neubauten barrierefrei gestalten. Der Ausbau inklusiver Sportangebote und barrierefreier Sportstätten ist kontinuierlich fortzuführen.

Menschen mit Behinderungen nehmen gleichberechtigt an Aktivitäten der Freizeit teil

Aktivitäten in der Freizeit können Benachteiligungen und Ausgrenzungen entgegenwirken. Sie liefern einen wichtigen Beitrag für Partizipation und Emanzipation. Die Angebote zur Freizeitgestaltung müssen für alle Menschen barrierefrei auffindbar, zugänglich und nutzbar sein; nicht nur Teilnahme, sondern aktive Teilhabe sind dabei zu gewährleisten.

Menschen mit Behinderungen sind Teil des kulturell – künstlerischen Lebens und gestalten es aktiv mit

Alle Menschen haben das Recht am kulturell-künstlerischen Leben teilhaben zu können, unabhängig davon, ob sie selbst Kultur schaffen oder Kulturangebote nutzen. Die Vielfalt in der Gesellschaft ist in der aktiven Mitwirkung von Menschen mit Behinderungen als Kulturschaffende sicher zu stellen. Zugänglichkeit, Auffindbarkeit und Nutzbarkeit von Orten der Kultur müssen gewährleistet sein. Die kulturellen Darbietungen oder Dienstleistungen müssen zudem ermöglichen, eigenes künstlerisches Potenzial zu entfalten. Für Menschen mit Behinderungen ist die Möglichkeit, kulturell-künstlerische Aktivitäten selbst auszuüben und Kultur in ihrer Vielfalt zu erleben sicherzustellen. In Produktion, Präsentation, Vermittlung und Rezeption von Kunst und Kultur müssen Menschen mit Behinderungen gefördert werden. Kunst und Kultur sind für alle da. Kulturstätten jeglicher Art sind barrierefrei vorzuhalten.

Menschen mit Behinderungen können alle touristischen Angebote uneingeschränkt nutzen

Menschen mit Behinderungen haben das Recht auf barrierefreies Reisen. Darum ist es wichtig, barrierefreie Tourismusangebote zu schaffen. „Tourismus und das Reisen für Alle“ muss programmatischer Leitgedanke bei der Angebotsentwicklung, dem Marketing und beim kulturellen Erleben sein. Barrierefreiheit ist Qualitätsmerkmal und dient als Markenzeichen des zeitgemäßen Tourismus in Deutschland. Anspruchsgerechte Angebote sollten sich diesbezüglich und als Anreiz durch ein Gütesiegel auszeichnen.

Nachteilsausgleiche sozialer gestalten

Menschen mit Behinderungen haben in bestimmten Fällen Anrecht auf einen Ausgleich daraus entstehender Nachteile. Die Piratenpartei Niedersachsen setzt sich dafür ein, dass diese Nachteilsausgleiche, die in der Verantwortung des Landes liegen, entsprechend der allgemeinen Preisentwicklung jährlich angepasst werden. Die Höhe des Ausgleichs ist sozialwissenschaftlich zu begründen. Wir setzen uns weiterhin dafür ein, dass Nachteilsausgleiche, die in anderen Bundesländern existieren, in Niedersachsen ebenfalls erhältlich sind. Dazu gehört bspw. das Taubblindengeld, welches in verschiedenen Bundesländern existiert.

Vermittlung der Deutschen Gehörlosensprache forcieren

Die Piratenpartei Niedersachsen setzt sich dafür ein, dass die Lehrpersonen und pädagogischen Fachkräfte an allgemeinbildenden Schulen Gebärdensprachkurse besuchen, die ein entsprechendes Sprachniveau vermitteln, wobei dieses in Anlehnung an den Gemeinsamen Europäischen Referenzrahmen für Sprachen (GER) zu bestimmen ist. Ebenso muss gewährleistet sein, dass an allen (universitären) Ausbildungsstätten während der Ausbildung von Lehrkräften und pädagogischen Fachkräften ein Niveau in der Deutschen Gebärdensprache von mindestens B2 erreicht wird.

Im Zuge dessen soll weiterhin eine akademische Ausbildung für die Tätigkeit als Dolmetscher/in für die Deutsche Gebärdensprache eingerichtet werden.

Parallel kann dann auch eine Vermittlung der Deutschen Gebärdensprache in den Schulen stattfinden. Dafür bieten sich entsprechende Schulungen in der nicht mit schulischen Inhalten zu befüllenden Nachmittagsbetreuung im Ganztagsangebot an. Hier wollen wir die Einrichtung derartiger Kurse finanziell unterstützen. Denn das Erlernen der Gebärdensprache sorgt auch für deren stärkerer Verbreitung in Berufen, die nach er Schulzeit ergriffen und gerade im sozialen und dienstleistenden Bereich gebraucht werden.

Landtagssitzungen für Hörgeschädigte zugänglich machen

Wir setzen uns weiterhin dafür ein, dass über die Webseite des NDR ausgestrahlte Sitzungen des Niedersächsischen Landtags mittels Gebärdensprachdolmetschern Menschen mit Hörschädigung zugänglich gemacht werden.

Alle Assistenzhunde gleich behandeln

Während im Niedersächsischen Hundegesetz bspw. beim nicht beizubringenden Sachkundenachweis Blindenführhunde und Behindertenbegleithunde explizit benannt sind, sind Assistenzhunde im Niedersächsischen Waldgesetz bei der Befreiung vom Leinenzwang nicht benannt, Blindenhunde allerdings schon. Die Piratenpartei Niedersachsen setzt sich dafür ein, dass entsprechend ausgebildete Assistenzhunde in allen ordnungsrechtlichen Grundlagen den Blindenführhunden gleichgesetzt werden.

Persönliche Assistenz unabhängig gewährleisten

Abschließend stellen wir fest, dass es auch nicht sein kann, dass Menschen mit Behinderungen kein Vermögen über 50.000 Euro besitzen dürfen, wenn sie Eingliederungshilfen oder eine persönliche Assistenz erhalten möchten. Deshalb werden wir uns für eine Bundesratsinitiative einsetzen, nach der diese Maßnahmen nicht mehr unter die Sozialhilfe fallen, wenn diese Grenze erreicht ist.

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